11.07.2016Psychotherapie für psychisch kranke Flüchtlinge muss genehmigt werden
Bundesregierung: Behörden haben keinen Ermessensspielraum

(BPtK) Bei der Entscheidung, ob für psychisch kranke und traumatisierte Flüchtlinge eine Psychotherapie nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) genehmigt wird, besteht aus der Sicht der Bundesregierung für die Behörden kein Ermessungsspielraum. Die Öffnungsklausel des AsylbLG (§ 6 Absatz 1) ergebe zusammen mit der EU-Aufnahmerichtlinie einen Anspruch auf Leistungen, die zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind. Beide Normen ergäben zusammen „einen zwingenden Rechtsanspruch“. Das behördliche Ermessen verringere sich dabei „auf Null“. Ihre Rechtsauffassung stellt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dar (BT-Drs. 18/9009).

Nach dem AsylbLG haben Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthaltes grundsätzlich nur einen Anspruch auf Gesundheitsleistungen im Rahmen einer Akut- und Schmerzbehandlung. In Einzelfällen soll es nach dem AsylbLG Ansprüche auf Psychotherapie geben. Diese Regelung führte in vielen Sozialbehörden dazu, dass Anträge auf Psychotherapie abgelehnt wurden – häufig mit dem Verweis auf eine vermeintlich ausreichende medikamentöse Behandlung. Die Bundesregierung stellt nun klar, dass im AsylbLG eine Öffnungsklausel für Einzelfälle vorgesehen ist und diese zusammen mit der EU-Aufnahmerichtlinie einen zwingenden Rechtsanspruch ergebe, bei dem die Behörde nicht mehr nach Ermessen entscheiden könne. Zu den Personen, die nach der EU-Aufnahmerichtlinie schutzbedürftig sind, gehören Menschen mit schweren körperlichen Erkrankungen und psychischen Störungen oder Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben und die besondere Bedürfnisse haben. Psychotherapie ist bei vielen psychischen Erkrankungen, vor allem bei Traumafolgestörungen, die Behandlungsmethode erster Wahl.

Nach der EU-Aufnahmerichtlinie vom Juni 2013 müssen alle Aufnahmeländer, so auch Deutschland, die spezielle Situation schutzbedürftiger Personen berücksichtigen und ihnen die notwendige Gesundheitsversorgung ermöglichen. Die Frist für die Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie in nationales Recht ist im Juli 2015 abgelaufen. Damit ist die EU-Aufnahmerichtlinie auch bei Entscheidungen nach § 6 Absatz 1 AsylbLG wirksam.

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